Santiago de Chile

Ich wollte unbedingt in die Atacama-Wüste und hatte mich entschieden, für ein paar Tage auf dem Hin- und Rückweg nicht die Gelegenheit auszulassen, Santiago de Chile zu besuchen. Etwas neugierig und unbedarft und mit wenig Vorwissen habe ich mich etwas mit Chiles und Santiagos Geschichte auseinandergesetzt. Ich besuchte das Museum für moderne Kunst, jedoch vorher das so empfohlene Museum Mesuo de la memoria y los derechos humanos, ein Dokumentationszentrum über die Pinochet-Ära.

Im ersteren war ich sehr überrascht, dass hier der Augenmerk nur(!) auf die sehr wichtigen Dokumentation der Verbrechen und der tatsächlichen Vorgänge mit Beginn des Putsches liegt, nicht jedoch nicht auf den vielen Fragen, die sich sofort ergeben: Wir war das möglich geworden? Beteiligung der USA? Kein Hinweis leider. Eher das Gegenteil. Hinweise, wie die CIA den demokratischen Bewegungen geholfen hat. Das zeigt, wie meine unbewussten, unbegründeten Erwartungen nicht erfüllt wurden. Die Wichtigkeit eine Dokumentationszentrum kann ich so nicht in Frage stellen! Wer hier gut gelaunt herausgeht, ist ohne Sinne.

Das Museum für Moderne Kunst „Museo nacional bellas artes“ hatte viele Ausstellungsstücke zur Pinochet-Ära, unter anderem eine Retrospektive der Aktionskünstlerin Lotty Rosenfeld. Die ausgestellten Kunstwerke zeigten mit ihren Gedanken und Fragestellungen zu Pinochet, dass sie für meine Erwartungen deutlich weiter in der Bearbeitung dieser Zeit waren als das, was im Mesuo la de memoria y los derechos humanos vermittelt wurde. Insgesamt bekam ich den Eindruck, dass Chile mit dieser Zeit alles andere als abgeschlossen hatte. Das hat mich überrascht, aber daran zeigte sich auch meine zu unbedarfte Herangehensweise.

Die Aktionen von Lotty Rosenfeld, die durch Fotos und Videodokumentationen zu sehen waren, fand ich sehr beeindruckend. Das Kreuz als Symbol für sehr Unterschiedliches spielt eine zentrale Bedeutung, ist aber vor allem eine Störung des „Normalen“. Lotty Rosenfeld im Moma und Lotty Rosenfeld in Santiago.

Einige Tage später in der Atacama-Wüste holte mich das Thema der Pinochet-Ära überraschend noch einmal ein. Ich war mit einer Gruppe zum Cerro Toco dort unterwegs, u.a. auch mit einem ca. 20 Jahre jungen Guide. Ich hatte ihn vorsichtig mit einer Nebenbemerkung auf die schwierige gemeinsame Geschichte von Deutschland und Chile angesprochen – die Aufnahme von Nazis als Flüchtlinge. Von sich aus fing mein Guide an zu erzählen, dass sein Urgroßvater ein deutscher Nazi war, sich in Chile wie viele andere Nazis einen neuen Namen und Reisepass besorgte, um dann im Süden Chiles als Farmer „weiterzuleben“. Der Sohn der Urgroßvaters lebte schon bei der Einreise und wurde in Chile Polizist. Auf diesen Großvater war mein Guide besonders stolz. Er nutzte seine Position aus, um von der Junta unschuldig Gefangene zu befreien. Er schaffte es, einen Bombenanschlag auf eine Versammlung von Regime-Gegnern zu verhindern. Es gab auch eine Mordversuch gegen ihn. Er überlebte nach monatelangem Koma. Einen Orden hat ihm das Junta sogar verliehen, wofür auch immer. Mein Guide kommentierte das so, dass es wichtiger war Orden zu verliehen, als darauf zu achten, wer diesen Orden bekommt, sozusagen als Beruhigungspille für die Masse.

Und noch eine Hinweis zu Kreuzen in Chile: Bemerkenswert fand ich auch, dass das Kreuz im Referendum 1988, das Pinochet nur knapp(!) verlor, eine Bedeutung spielte. Es kam ein Wahlzettel zum Einsatz, der u.a. auch zu der Kampagne „No +“ (Nein plus) führte. Durch senkrechtes Durchstreichen eines Querstriches konnte man seine Stimme festlegen. Es gab ja keine Gegenkandidaten und war auch nicht als demokratische Wahl gedacht. Irgendwie absurd. Vielleicht gewann Pinochet nur so knapp, weil eine Mehrheit für „No“ auch bedeutete, dass er nach dem Referendum noch 1 Jahr Zeit hatte, um kommissarisch weiter zu regieren und um eine demokratische Wahl vorzubereiten. (Quelle )

Und hier noch ein paar Eindrücke aus der Stadt, mit Untertiteln…

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